Den Stellenwert des ESC in Deutschland kann man mal wieder daran erkennen, dass das zweite Semifinale nicht live übertragen wurde. Seit gestern wird mich Inkki vermutlich nie wieder fragen wofür wir ein Digital-TV-Paket mit ca. 200 Programmen brauchen, rettete uns doch der montenegrinische Sender RTCG SAT mit seiner Liveübertragung den Abend.
Die Qualität des zweiten Semis fiel dann doch etwas gegenüber der Veranstaltung vom Dienstag ab, aber auch gestern setzten sich letztlich in den meisten Fällen die besten Beiträge durch. Hier nun also die Übersicht über die Acts, die morgen im Finale antreten werden:
NORWEGEN
Alexander Rybak – Fairytale
Schon vor Beginn der ESC-Woche war Norwegen der große Favorit bei den Buchmachern und auch nach dem Semifinale hat sich daran nichts geändert. Glaubt man den aktuellen Quoten kann es nur diesen Sieger geben. Ich kann das allerdings nicht so ganz nachvollziehen. Der Knabe grinst die ganze Zeit grenzdebil in die Kamera und stimmlich ist er auch nicht durchgehend auf der Höhe. Sowohl das Arrangement als auch die Inszenierung rufen bei mir übelste Ralf-Siegel-Assoziationen wach.
Prognose:
Alle Welt schimpft jedes Jahr über die Nachbarschaftsvotings des Balkans, dabei sind die nordeuropäischen Länder die wahren Klüngel-Könige. Ich würde eine ordentliche Summe darauf setzten, dass Alexander Rybak von ICE, SWE, DEN und FIN die Höchstwertung erhalten wird. Wahrscheinlich stehe ich mit meinem Geschmack eh wieder mal recht alleine da und Norwegen landet zwischen Platz 1 und 3.
ESTLAND
Urban Symphony – Rändajad
Zu schön um wahr zu sein! Lied, Inszenierung, Gesang, Sängerin, alles wunderschön. Das hat Stil, das hat Klasse und man kann den Estinnen gar nicht hoch genug anrechnen, dass sie darauf verzichtet haben eine englische Version zu präsentieren. Ich hatte schon befürchtet, ich würde 2009 keinen Song finden, dem ich von ganzem Herzen die Daumen drücken kann, aber hier ist er nun endlich.
Prognose:
Estland könnte davon profitieren, dass das Ergebnis in diesem Jahr zu 50% von Juries bestimmt wird. Die werden hier sicher nicht mit Punkten geizen, während es beim Televoter vermutlich eher etwas untergehen wird. Es spricht also einiges für Platz 8 bis 12.
ALBANIEN
Kejsi Tola – Carry Me In Your Dreams
Das ist eine ganz gewöhnliche, wahlweise auch ordinäre, Uptempo-Dance-Nummer. Gegen den Song kann man eigentlich wenig sagen. ESC-Standardware wie sie seit einigen Jahren im Sortiment ist. So richtig mies ist allerdings die Choreographie. Ist dieser grüne Heini bei der Blue-Man-Group rausgeflogen und versucht sich nun in Albanien als Green-One-Man-Group eine neue Existenz aufzubauen? Echt unterirdisch.
Prognose:
Es gibt 2009 einige wesentlich stärkere Disconummern im Angebot. Albanien wird da kaum eine Chance haben postiv aus dem Rahmen zu fallen. Vermutlich irgendwo zwischen Platz 16 und 20.
LITAUEN
Sasha Son – Love
Dass Litauen ins Finale gekommen ist hat mich schon ziemlich überrascht. Für meinen Geschmack ist das Lied genauso nichtssagend wie sein Titel. Auch der Auftritt läßt jede Art von Höhepunkten vermissen. Tut keinem weh, haut keinen aus dem Sessel.
Prognose:
Zu unauffällig. Litauen wird gerechterweise völlig ignoriert werden und auf Platz 20 bis 25 landen. (Wahrscheinlich meine Fehleinschätzung des Jahres)
KROATIEN
Igor Cukrov – Lijepa Tena
Noch typischer geht es ja kaum. Eine Balkanballade, deren Reiz sich dem gemeinen Mittel- bis Nordeuropäer nie erschließen wird. Schwermütig in der Grundstimmung und schwerfällig in der Interpretation. Mich hat es trotzdem nicht überrascht, dass Kroatien damit das Finale erreicht hat.
Prognose:
Ganz leer ausgehen wird Kroatien wohl nie. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt. Für einen großen Wurf kann dieser Langweiler aber auch nicht taugen. Platz 12 bis 18.
GRIECHENLAND
Sakis Rouvas – This Is Our Night
Will man einen Griechen in hormonellen Ausnahmezustand bringen, reicht es völlig den Namen Sakis Rouvas zu erwähnen. Dies gilt in aller Regel für Weiblein und Männlein gleichermaßen. Man beachte nur mal das Stöhnen der Kommentatorin am Ende des Videos. Dabei muß es sich um ein nationales Phönomen handeln, das rational nicht zu erklären ist. Hier sehen wir einen in die Jahre gekommenen McFit-Stammkunden mit einer ausgeprägten narzisstischen Ader, der seine Übungsstunde auf die ESC-Bühne verleg hat. Nebenbei, aber wirklich nur ganz nebenbei, singt er auch noch ein Liedchen, das in seiner ganzen Belanglosigkeit fast schon wieder naiv-sympathisch rüberkommt.
Prognose:
Alles andere als der Sieg wäre für Griechenland vermutlich eine nationale Katastrophe. Wie man mit minderwertigen Auftritten zu großem Ruhm gelangen kann haben die hellenischen Fussballer ja vor fünf Jahren bewiesen. Ganz so ungerecht wird das Finale aber nicht enden. Griechenland darf sich für einen viel zu guten Platz zwischen 4 und 8 bedanken.
ASERBAIDSCHAN
AySel & Arash – Always
Mal wieder Ethno-Pop und somit auch ein ganz ähnliches Problem wie es auch die Türkei, Albanien und Moldawien haben werden. Das Thema ist ausgelutscht und der aserbaidschanische Beitrag tut auch nichts um daran etwas zu ändern. Die Bühnenpräsentation ist recht auffällig, Arashs Gesang ebenfalls. Während die Show jedoch durchaus zu gefallen weiss, müsste man bei der gesanglichen Darbietung schon beide Ohrmuscheln zudrücken um zu einem ähnlich positiven Urteil zu kommen.
Prognose:
Arash hat einen guten Namen in Nord- und Südosteuropa. Das ist schon mal eine gesunde Basis um wenigstens einen guten Mttelfeldplatz zu erreichen. Im Allgemeinen wird Aserbaidschan durchaus zum erweiterten Favoritenkreis gerechnet. Dem kann ich mich aber nicht anschließen. Platz 8 bis 12.
DÄNEMARK
Niels Brinck – Believe Again
Das ist er nun also, der von Ronan Keating (mit-)komponierte Titel. Hört man natürlich sofort, leider, würde ich sagen. Man könnte ja fast meinen, wir wären hier beim fröhlichen Song-Nachsingen wie bei DSDS. Niels Brinck hätte es bei einem solchen Wettbewerb allerdings nicht sehr weit gebracht. Gesanglich äußerst grenzwertig.
Prognose:
Ein Kandidat für die hinteren Plätze, zumal sich die hohen Wertungen der anderen Nordländer eher auf Norwegen und Island aufteilen werden. Platz 18 bis 22.
MOLDAWIEN
Nelly Ciobanu – Hora Din Moldova
Und noch mal Ethnopop, hier aber doch um einiges origineller als bei den anderen Verdächtigen. Das hat durchaus Drive und kommt sympathisch rüber. Die Sängerin ist ein heißer Feger, wie man zu meiner Zeit gesagt hätte und die Choreographie ist auch ziemlich ansprechend.
Prognose:
Das sollte eigentlich zünden und Moldawien einen guten Platz zwischen 10 und 14 sichern.
UKRAINE
Svetlana Loboda – Be My Valentine
Zu guter Letzt nun also mein heißer Favorit auf den Sieg. Der Song hat absolut internationales Format und hätte nahezu weltweit Chancen sich in den Charts zu platzieren. Auf der Bühne ist mächtig was los, ein Auftritt, an den sich jeder Zuschauer noch lange erinnern wird wenn er an den ESC-Jahrgang 2009 denkt. Hier ist dann aber auch schon der erste Kritikpunkt zu finden. Möglicherweise ist die Show zu überladen. Darüber hinaus ist die Sängerin nun nicht gerade eine absolute Sympathieträgerin. Mir macht sie ehrlich gesagt ein wenig Angst. Trotzdem: der Song ist top und das offizielle Video ist noch beeindruckender als der Liveauftritt.
Prognose:
Würde das Televoting immer noch 100% des Ergebnisses ausmachen, wäre ich mir ganz sicher, dass die Ukraine in diesem Jahr gewinnt. Nun kommen allerdings noch die Juries ins Spiel und die werden ihre Favoriten vermutlich eher woanders finden, beispielsweise in Norwegen. Ich tippe trotzdem auf Platz 1 bis 2.
„Wahrscheinlich stehe ich mit meinem Geschmack eh wieder mal recht alleine da und Norwegen landet zwischen Platz 1 und 3.“
Herzlichen Glückwunsch, Du Alleinstehender. Da soll nochmal einer der ewiger „aber der Ostblock kungelt das unter sich aus“-Sager den Mund aufmachen …
… und Schweden war ja so grottig … *grusel* …