Hat nicht jeder irgendein dunkles Geheimnis? Meines ist dem längjährigen Stammleser längst bekannt, allen anderen sei es nun offenbart: Ja, ich bin Fan des Eurovision Song Contests!
In dieser Woche findet mein alljährliches Highlight in Moskau statt. Seit über einer Woche laufen die Proben und am gestrigen Abend stand der erste Höhepunkt auf dem Programm, das erste Halbfinale. Achtzehn Länder traten an, von denen letztlich zehn das Finale erreichten. Hier nun also mal ein kleiner Rückblick auf den Abend und gleichzeitig ein Ausblick auf das Grande Finale.
ISLAND
Yohanna – Is It True?
Eine klassische Pop-Ballade, die niemandem weh tut und es einem leicht macht, sie zu mögen. Ein nettes, junges, blondes Mädchen singt ein nettes Lied. Damit kann natürlich nicht viel schiefgehen. Aber muß man eine 18-jährige in ein solch tantenhaftes Kleid stecken? Abzüge dafür. Da Yohanna jedoch einen fehlerfreien Auftritt hinlegte hat sie es erwartungsgemäß ins Finale geschafft.
Prognose:
Für ganz vorne wird es nicht reichen. Gerade aus den skandinavischen Ländern wird es jedoch reichlich Punkte geben. Daher sehe ich Island zwischen Platz 8 und 12.
PORTUGAL
Flor-de-Lis – Todas as ruas do amor
Portugal scheint sich zu so etwas wie meinem Lieblingsland zu entwickeln. Im letzten Jahr bereits top mit einem pathetischen und melancholischen Song, in diesem Jahr nun deutlich beschwingter und, was ich besonders schätze, auch wieder auf Portugiesisch. Ein richtiger Gute-Laune-Song, der besonders durch die sympathische Sängerin gewinnt.
Prognose:
Im letzten Jahr kam Portugal mit einem stärkeren Song nur auf Platz 13, also tippe ich hier mal auf Platz 15 bis 20.
RUMÄNIEN
Elena Gheorghe – The Balkan Girls
Solch eine Trash-Nummer gehört wohl irgendwie dazu. Billige Osteuropäerin im billigen Fummel trällert ein billiges Liedchen. Das könnte man durchaus hassen, man kann es allerdings auch als stimmiges Gesamtpaket ansehen und sich mal unter dem eigenen Niveau amüsieren.
Prognose:
In gewissen Regionen Europas gibt es sicher Liebhaber für solch eine Nummer. Der Rest wird sich angewidert abwenden. Ich tippe auf Platz 16 bis 20.
TÜRKEI
Hadise – Düm tek tek
Hier hört man natürlich sofort Sertab Erener durchklingen und auch etwas von Helena Paparizou. Das sind immerhin beides Winner-Songs, also keine schlechte Idee, sich da etwas anzulehnen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass dieser Beitrag ein paar Jährchen zu spät kommt. Vielleicht hat man sich an diesem Motiv doch langsam satt gehört?
Prognose:
Ein Fall für die Top Ten ist es mit Sicherheit, für ganz oben wird es aber nicht reichen. Wenn ich mich etwas genauer festlegen soll, dann sage ich mal Platz 6 bis 10.
BOSNIEN-HERZEGOWINA
Regina – Bistra voda
Regina aus Bosnien? Da denkt man doch direkt an hochhackige Stiefel und wuchernde Schambehaarung. So schlimm ist es dann aber doch nicht, denn Regina ist eine vierköpfige Band, die hier beweist, wie unendlich lang doch drei Minuten sein können. Das Lied kommt überhaupt nicht in die Gänge und es erfordert einiges an Durchhaltevermögen es sich bis zum Ende anzuhören. Positiv anzumerken bleibt jedoch der stimmige Auftritt.
Prognose:
Ich will nicht wieder auf dem Argument der Nachbarschaftsvotings herumreiten, aber auf einige Punkte aus den Nachbarländern kann sich Bosnien mit Sicherheit freuen. Letztlich könnte der Beitrag als Dark Horse ziemlich weit vorne landen, realistisch schätze ich aber eher, dass er auf Platz 6 bis 10 landen wird.
ARMENIEN
Inga & Anush – Jan Jan
Inga und wer??? Inga und Anush??? Anush!!! Okay, okay, ich beruhige mich schon wieder. Dieser Song ist sicher nichts für jedes sensible westeuropäische Ohr, mir gefällt er aber überraschenderweise ziemlich gut. Der ist irgendwie sehr authentisch. So stelle ich mir Popmusik aus Armenien vor und es ist ja immer angenehm wenn ein bestehendes Klischee bestätigt wird. Die Performance kommt auch ganz gut, auch wenn Inga und Anush(!!!) nun nicht gerade Schönheiten im klassischen Sinne sind.
Prognose:
Hier sehe ich leider kaum Chancen auf ein respektables Ergebnis. Ein sensationeller vierter Platz wie im Vorjahr ist jedenfalls ziemlich ausgeschlossen. Platz 18 bis 22.
ISRAEL
Noa & Mira Awad – There Must Be Another Way
Ach ja, diese Israelis. Die haben schon dermaßen viele Friedenshymnen abgeliefert, dass man meinen müsste, Israel wäre der Erfinder des Weltfriedens. Dieses Jahr also eine Jüdin und eine Araberin im Duett. Das ist schön plakativ, macht das Lied aber auch nicht besser. Wenn da an das traumhafte israelische Lied vom letzten Jahr denke; kein Vergleich!
Prognose:
Das kann eigentlich nur auf einen unspektakulären Platz im Mittelfeld hinaus laufen. Platz 12 bis 16.
MALTA
Chiara – What If We
Da ist sie mal wieder. Die unvermeidliche Chiara, die schon einen zweiten und einen dritten Platz gemacht hat. Diesmal soll es nun endlich zum ganz großen Wurf reichen, allerdings mit einer Ballade für die es nur ein Wort gibt: laaaaaaaangweilig. Zu Beginn des Songs offenbarte Chiara übrigens ungewohnte Schwächen. Da hat sie noch reichlich Verbesserungspotential.
Prognose:
Als Kontrastprogramm zu den spärlich bekleideten Hupfdohlen taugt eine dicke Frau jenseits der besten Jahre natürlich immer und darum wird Chiara auch 2009 wieder recht weit vorne landen. Sieg ist nicht ausgeschlossen, Platz 1 bis 6 ziemlich wahrscheinlich. Leider.
SCHWEDEN
Malena Ernman – La Voix
Als versierte Opernsängerin wurde Malena angekündigt. Mag ja sein, aber bei den Pop-Teilen hörte sich das nun wirklich alles andere als überzeugend an. Ganz großartig war allerdings die Inszenierung. Da sieht man direkt, dass die Schweden Profis sind. Der Versuch mit Opern-Pop zu glänzen erscheint mir viel zu kalkuliert, allerdings so kalkuliert, dass es letztlich aufgehen könnte.
Prognose:
Schweden gehört vermutlich zum erweiterten Favoritenkreis. Dass es zum Sieg reicht kann ich mir nicht vorstellen, Platz 3 bis 7 sollte aber möglich sein.
FINNLAND
Waldo’s People – Lose Control
Oh je. Eurodisco lebt. Drei mal Folge hatte es Finnland zuletzt mit Rock versucht, mit beständig abnehmendem Erfolg. Nun also Disco oder zumindest was der gute Waldo dafür hält. Ist der Song schon übel, sollte man wenigstens auf eine professionelle Performance setzen, also so ziemlich das direkte Gegenteil von dem, was hier präsentiert wird. Ein wenig Feuerwerk macht noch keinen imposanten Auftritt und die Ära der brennenden Mülltonnen ist auch definitiv längst vorüber. Wie konnte Finnland mit diesem Beitrag eigentlich ins Finale kommen? Ich kann es mir beim besten Willen nicht erklären.
Prognose:
Im Finale wartet eine ganz andere Konkurrenz als in diesem schwach besetzten Halbfinale. Dementsprechend wird auch die finnische Platzierung aussehen. Mehr als Platz 22 bis 25 erscheint mir ausgeschlossen.
Geoutet? Nö. Das ist Pflicht!
Wirklich bemerkenswert ist übrigens, daß amn sich alle Songs bei der Eurovision wirklich runterladen kann – angepriesen als Download – natürlich nur gegen Bezahlung.
Ich vergaß das Wort ‚legal‘ zu erwähnen? Und das mir.
Link ist also angekommen und nun auch wieder auf mysteriöse Weise verschwunden.
Mit einem Bein im Kahn und noch so gerade gerettet. 😉
Lesevorschlag für das Wochenende bei F!XMBR