Für das Format dieser Reihe von Blog-Posts habe ich mich lose an das von mir relativ verehrte Nachbarblog Rainersche Post angelehnt. Schöne Grüße nach Oberbilk!
Jede Fußball-WM, an die ich mich erinnern kann, ist für mich mit ganz besonderen Erinnerungen verbunden. Da dieses Großereignis nur alle vier Jahre stattfindet, bleibt es nicht aus, dass diese Erinnerungen auch einen Teil meiner persönlichen Entwicklung widerspiegeln. Ich versuche mich jetzt also mal an meine ganz persönliche WM-Historie zu erinnern und die Erinnerungen mit meinem Weg durch die letzten Jahrzehnte zu synchronisieren.
Argentinien 01.06. – 25.06.1978
Ich dachte erst, diese WM könnte ich mangels ausgeprägter Erinnerungen auslassen, aber ganz so ist dem doch nicht.
Ich war sieben Jahre alt, hatte gerade einen Bruder bekommen, beendete die erste Grundschulklasse und hatte gerade damit begonnen selbst im Verein zu kicken. Meine Freunde Marc und Volker, mit denen ich mehrmals die Woche ausgiebig auf einer schmalen Freifläche zwischen dem Rostbau und dessen ausgegliedertem Datenzentrum kickte, hatten mich mehr oder weniger zur Anmeldung beim B.V. 04 mitgeschleppt. Ein Verein mit „04“ im Namen kam mir gerade recht, war zu dieser Zeit doch der FC Schalke 04 mein favorisierter Club. Besonders hatte es mir Rüdiger Abramczik angetan. Der Flankengott aus dem Kohlenpott. Der hatte lange Haare, war unheimlich schnell und trug auch noch meist die Rückennummer 7. Meine damalige Lieblingszahl. Trikots der Bundesligavereine waren damals nicht erhältlich. Wollte man seinem Idol möglichst ähnlich sein, musste man schon etwas eigene Kreativität an den Tag legen. Ein blaues T-Shirt hatte ich immerhin. Nun ja. Es war weniger königsblau wie das Schalker Original, als viel mehr babyblau. Egal. Um dieses T-Shirt auf Abramczik zu trimmen bedurfte es ja eigentlich nur einer aufbügelbaren 7 für den Rücken. Tatsächlich konnte ich meine Mutter dazu bewegen mit mir zum Kaufhof zu gehen um nachzufragen ob es so etwas da wohl gäbe. Es gab Rückennummern und es gab sogar die 7! Allerdings nicht in stilechtem weiß sondern nur in rot. Meine Mutter war der Meinung, das wäre ja letztlich wohl auch egal. Ich kann mich noch haargenau erinnern, dass die Verkäuferin mich fragte, welchen Spieler mit der 7 ich denn so toll finden würde. Meine damals noch unnatürlich stark ausgeprägte Schüchternheit ließ mich nur mit den Schultern zucken und „Keinen“ flüstern. So richtig zufrieden war ich nicht. Eigentlich war ich sogar ziemlich traurig. Statt eines königsblauen Trikots mit der weißen Nummer 7 hatte ich nun also ein babyblaues T-Shirt mit einer roten 7. Ich glaube, ich habe es nur angezogen wenn alle anderen T-Shirts in der Wäsche waren.
Meine Erinnerungen an die WM selber sind nicht allzu ausgeprägt. Ich weiß aber noch, dass mein Rüdiger Abramczik mitspielen durfte. An einem Sonntagabend spielte Deutschland gegen Holland. Es war natürlich zu spät für mich und am folgenden Tag fragte ich meinen Vater: „Hat der Abramczik auch gespielt?“ – „Ja hat er. Aber schlecht. Der hatte ziemlich viele Fehlpässe.“ – „Aber Fehlpässe sind doch nicht so schlimm, oder?“ – „Doch, doch. Fehlpässe sind schon ziemlich schlimm.“. Das hatte mir einigermaßen zugesetzt. Mein Abi hat schlecht gespielt und noch dazu schlimme Fehlpässe fabriziert? Oh weia. Auf eine noch stärkere Probe wurde meine Abi-Liebe wenige Jahre später gestellt, als mir ein ungewöhnlich umfassend informierter Zeitgenosse aufs Brot schmierte, dass der Abramczik wohl die hohlste Nuss der Bundesliga wäre weil er im Mannschfatsbus immer nur Lassiter-Hefte lese. Das hat weh getan. Trotzdem wurde ich nicht untreu und mutierte mit Abis Wechsel von Schalke nach Dortmund sogar für drei Jahre zum BVB-Fan. In der Jugend ist man in der Verteilung seiner Zuneigung ja noch recht ungebunden.
Meine Karriere beim B.V.04 verlief übrigens wenig zufriedenstellend. Schnell stellte sich heraus, dass ich nicht gerade übermäßig mit Talent gesegnet war. Das wäre nicht so schlimm gewesen wenn wenigstens meine Eltern regelmäßig zu den Spielen hätten kommen können oder auch mal einen Teil der Mannschaft zu Auswärtsspielen kutschiert hätten. Anderen minderbemittelten Fußlümmelern hat das jedenfalls Samstag für Samstag reichlich Einsatzzeit garantiert. Das änderte sich dann erst in der D-Jugend. Beim neuen Trainer war ich nicht mehr Ersatzspieler für die Abwehr sondern spielte regelmäßig im Mittelfeld und habe sogar öfter mal das Tor getroffen. Dann kam ein fieser Bruch des Sprunggelenks dazwischen und danach habe ich nie wieder im Verein Fußball gespielt.
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